Südafrika I: Kapstadt
Silvester im Flugzeug: unspektakulär. Der Sparkling Wine ist aus und man darf raten, wann Mitternacht ist. Ersatzweise bestehe ich, etwa über Alicante, auf einem Wiener Walzer in der Bordküche (Allegras Tipp), was bei den südafrikanischen Stewards fragende Blicke hervorruft.
Dass unser vorbestellter Fahrer nicht am Flughafen ist, liegt am Silvester-Braai (Grillfest) vom Vorabend und daran, dass er verschlafen hat. Als er nach einer Stunde auftaucht, macht er's wieder gut, indem er uns mit Kapstadt-Tipps zuschüttet. Auch Marc in der African Villa gibt uns Ratschläge und malt einen Stadtplan mit kleinen Kreuzen voll, von denen wir nachher nicht mehr wissen, was sie bedeuten.
Die gut gesicherte Victoria & Albert Waterfront ist das perfekte Ziel für den ersten Abend. Noch haben wir ja die Panik, bei Verlassen des Hotels umgehend erschossen zu werden, wie man sie uns in Europa eingebläut hat. Wir nehmen also ein Taxi und fahren zum Shopping und Essen in den Hafen. Die Promeniermeile der Kapstädter ist wegen des Feiertages besonders gut besucht. Zum Glück kaufen wir nichts in den überteuerten Läden - der Ausdruck "Waterfront price" wirkt in den folgenden Tagen als guter Einstieg beim Handeln:
"How much is this mask / bowl / skin?"
"Normally 60 Rand, special price 50."
"Waterfront price, eh?"
Am 2. Jänner ist Coon Carnival. Über 40 Karnevalsvereine ziehen mit Blasmusik und Tanz grell verkleidet durch die Stadt. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, schon frühmorgens lagern die ersten Großfamilien, ausgestattet mit Biltong (getrocknetem Fleisch) und Sonnenschirmen, entlang der Route. Es ist stürmisch, "Cape Doctor" nennt man hier den starken Wind, der Smog und Bakterien wegbläst. F ersteht drei Masken und lässt sich die Geschichten dazu erklären. Die eine, mit kleinen Pellets-Löckchen, ist eine Frühform der Mediation: Sie diente erst der Heiratsanbahnung und blieb dann bei den Eltern des Bräutigams. Stritt sich das junge Paar, kamen die Eltern samt der Maske und blieben so lange, bis sich die beiden wieder vertrugen.
Ein Haus weiter waren die Masken billiger. "This is Africa. You can bargain. We also sell these for twice as much", forderten uns gleich mehrere Verkäufer im Panafrican Market auf, selbst einen Preis zu nennen.
Am nächsten Tag fahren wir mit Babi ins Township. Ein Bewohner führt uns zu Fuß durch unterschiedliche Viertel. Auch hier gibt es Arme und Reiche. Kinder laufen uns nach, fassen uns an den Händen, singen Xshosa-Lieder (die Sprache mit den Klicklauten). In einer Wellblechhütte bekommen wir frisches Township-Bier in einem Kübel. Wir besuchen einen Healer, der uns seine beeindruckende Sammlung von Kräutern und Tierteilen (die ich nicht näher bestimmen möchte) zeigt. Zehn Klienten täglich suchen Hilfe bei Gesundheits-, Liebes- und Arbeitsproblemen. Der Healer lernt alles, was er braucht, im Schlaf: Da erscheinen ihm seine Großeltern und schicken ihn in den Wald, um eine bestimmte Pflanze zu pflücken. Schließlich geht's in eine Bar mit vergittertem Tresen. "This is a gun-free bar" steht auf einem großen Schild, das die Besitzer offenbar selbst nicht überzeugt.
Wie die Faust aufs Auge passt unser 16gängiges Abendessen im Africa Café zu diesem Tag.
Am vierten Tag ist es dann soweit: Der Tafelberg hat zum ersten Mal kein Wolken-Tischtuch! Sofort fahren wir mit der Gondel hinauf. (Sie ist auf einer Seite offen und dreht sich um die eigene Achse. F wird grün und sieht mich an als könnte ich was dafür.) Toller Blick auf die Stadt! Hier oben gibt es mehr Pflanzenarten als in ganz Großbritannien. Das habe ich gelesen. Ich gebe zu, es wäre mir nicht aufgefallen.
Mit dem Mietauto fahren wir über Simonstown unter Auslassung der Pinguinkolonie zum Leuchtturm am Cape Point. "Kap der glatten Haare" tauft meine Tochter es um, als ich ihr später maile, dass F's Locken vom Sturm glattgeblasen wurden. Am Kap der guten Hoffnung ist ein Schild, mit dem man sich natürlich fotografieren lassen muss. Wir stellen uns hinter einer Gruppe Russen an, die am Ende vom Jeden-mit-jedem-Knipsen derart verwirrt ist, dass das Motiv selbst die Kamera zückt.
Zurück nach Kapstadt geht's über den Chapman's Peak Drive, bekannt aus diversen Autowerbungen. Gerade zum Sonnenuntergang sind wir im Camps Bay. Die heiße Zeit für "Sundowner". Hier ist es umgekehrt wie bei uns: Die guten Plätze mit Meerblick gehören den Nichtrauchern. Das Raucherzimmer ist hinten raus...
Das Parken auf öffentlichen Straßen funktioniert so: Private Wächter werden geduldet, sie weisen einem einen Platz zu und bekommen beim Wegfahren ein Trinkgeld. Natürlich nur, wenn das Auto im ursprünglichen Zustand ist. Einmal versuchen wir - aus sportlichen Gründen - wegzufahren, ohne dass es der Wächter (1 km entfernt) bemerkt. Keine Chance. Die Autos sind hier wirklich sicher!
Am Samstag steht die Weinroute auf dem Programm. In der Hugenotten-Stadt Franschhoek fühlen wir uns in ein designtes Weinetikett versetzt. Weiße Mansions mit breiten Zufahrten inmitten von Weingärten vor einer gebirgigen Kulisse. Da und dort kann man Wein verkosten und es ist ratsam, ihn tatsächlich wieder auszuspucken. Für umgerechnet zwei bis drei Euro bekommt man nämlich je nach Freigiebigkeit des Ausschenkenden bis zu fünf Achtel Sekt, Wein und Brandy. Wir stoppen bei Haute Cabrière, Boschendal und zuletzt bei Spier in Stellenbosch. Dort decken wir uns mit vier Flaschen für die Abende an der Garden Route ein.
Abends suchen wir zu Fuß (inzwischen sind wir ja unerschrocken) nach einem guten Restaurant. Alle Lokale platzen aus den Nähten. Schließlich finden wir eines, wo noch Tische frei sind. Und lernen Lektion 1 für Südafrika: Nur dort essen, wo es keinen Platz gibt!
Dass unser vorbestellter Fahrer nicht am Flughafen ist, liegt am Silvester-Braai (Grillfest) vom Vorabend und daran, dass er verschlafen hat. Als er nach einer Stunde auftaucht, macht er's wieder gut, indem er uns mit Kapstadt-Tipps zuschüttet. Auch Marc in der African Villa gibt uns Ratschläge und malt einen Stadtplan mit kleinen Kreuzen voll, von denen wir nachher nicht mehr wissen, was sie bedeuten.
Die gut gesicherte Victoria & Albert Waterfront ist das perfekte Ziel für den ersten Abend. Noch haben wir ja die Panik, bei Verlassen des Hotels umgehend erschossen zu werden, wie man sie uns in Europa eingebläut hat. Wir nehmen also ein Taxi und fahren zum Shopping und Essen in den Hafen. Die Promeniermeile der Kapstädter ist wegen des Feiertages besonders gut besucht. Zum Glück kaufen wir nichts in den überteuerten Läden - der Ausdruck "Waterfront price" wirkt in den folgenden Tagen als guter Einstieg beim Handeln:
"How much is this mask / bowl / skin?"
"Normally 60 Rand, special price 50."
"Waterfront price, eh?"
Am 2. Jänner ist Coon Carnival. Über 40 Karnevalsvereine ziehen mit Blasmusik und Tanz grell verkleidet durch die Stadt. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, schon frühmorgens lagern die ersten Großfamilien, ausgestattet mit Biltong (getrocknetem Fleisch) und Sonnenschirmen, entlang der Route. Es ist stürmisch, "Cape Doctor" nennt man hier den starken Wind, der Smog und Bakterien wegbläst. F ersteht drei Masken und lässt sich die Geschichten dazu erklären. Die eine, mit kleinen Pellets-Löckchen, ist eine Frühform der Mediation: Sie diente erst der Heiratsanbahnung und blieb dann bei den Eltern des Bräutigams. Stritt sich das junge Paar, kamen die Eltern samt der Maske und blieben so lange, bis sich die beiden wieder vertrugen.
Ein Haus weiter waren die Masken billiger. "This is Africa. You can bargain. We also sell these for twice as much", forderten uns gleich mehrere Verkäufer im Panafrican Market auf, selbst einen Preis zu nennen.
Am nächsten Tag fahren wir mit Babi ins Township. Ein Bewohner führt uns zu Fuß durch unterschiedliche Viertel. Auch hier gibt es Arme und Reiche. Kinder laufen uns nach, fassen uns an den Händen, singen Xshosa-Lieder (die Sprache mit den Klicklauten). In einer Wellblechhütte bekommen wir frisches Township-Bier in einem Kübel. Wir besuchen einen Healer, der uns seine beeindruckende Sammlung von Kräutern und Tierteilen (die ich nicht näher bestimmen möchte) zeigt. Zehn Klienten täglich suchen Hilfe bei Gesundheits-, Liebes- und Arbeitsproblemen. Der Healer lernt alles, was er braucht, im Schlaf: Da erscheinen ihm seine Großeltern und schicken ihn in den Wald, um eine bestimmte Pflanze zu pflücken. Schließlich geht's in eine Bar mit vergittertem Tresen. "This is a gun-free bar" steht auf einem großen Schild, das die Besitzer offenbar selbst nicht überzeugt.
Wie die Faust aufs Auge passt unser 16gängiges Abendessen im Africa Café zu diesem Tag.
Am vierten Tag ist es dann soweit: Der Tafelberg hat zum ersten Mal kein Wolken-Tischtuch! Sofort fahren wir mit der Gondel hinauf. (Sie ist auf einer Seite offen und dreht sich um die eigene Achse. F wird grün und sieht mich an als könnte ich was dafür.) Toller Blick auf die Stadt! Hier oben gibt es mehr Pflanzenarten als in ganz Großbritannien. Das habe ich gelesen. Ich gebe zu, es wäre mir nicht aufgefallen.
Mit dem Mietauto fahren wir über Simonstown unter Auslassung der Pinguinkolonie zum Leuchtturm am Cape Point. "Kap der glatten Haare" tauft meine Tochter es um, als ich ihr später maile, dass F's Locken vom Sturm glattgeblasen wurden. Am Kap der guten Hoffnung ist ein Schild, mit dem man sich natürlich fotografieren lassen muss. Wir stellen uns hinter einer Gruppe Russen an, die am Ende vom Jeden-mit-jedem-Knipsen derart verwirrt ist, dass das Motiv selbst die Kamera zückt.
Zurück nach Kapstadt geht's über den Chapman's Peak Drive, bekannt aus diversen Autowerbungen. Gerade zum Sonnenuntergang sind wir im Camps Bay. Die heiße Zeit für "Sundowner". Hier ist es umgekehrt wie bei uns: Die guten Plätze mit Meerblick gehören den Nichtrauchern. Das Raucherzimmer ist hinten raus...
Das Parken auf öffentlichen Straßen funktioniert so: Private Wächter werden geduldet, sie weisen einem einen Platz zu und bekommen beim Wegfahren ein Trinkgeld. Natürlich nur, wenn das Auto im ursprünglichen Zustand ist. Einmal versuchen wir - aus sportlichen Gründen - wegzufahren, ohne dass es der Wächter (1 km entfernt) bemerkt. Keine Chance. Die Autos sind hier wirklich sicher!
Am Samstag steht die Weinroute auf dem Programm. In der Hugenotten-Stadt Franschhoek fühlen wir uns in ein designtes Weinetikett versetzt. Weiße Mansions mit breiten Zufahrten inmitten von Weingärten vor einer gebirgigen Kulisse. Da und dort kann man Wein verkosten und es ist ratsam, ihn tatsächlich wieder auszuspucken. Für umgerechnet zwei bis drei Euro bekommt man nämlich je nach Freigiebigkeit des Ausschenkenden bis zu fünf Achtel Sekt, Wein und Brandy. Wir stoppen bei Haute Cabrière, Boschendal und zuletzt bei Spier in Stellenbosch. Dort decken wir uns mit vier Flaschen für die Abende an der Garden Route ein.
Abends suchen wir zu Fuß (inzwischen sind wir ja unerschrocken) nach einem guten Restaurant. Alle Lokale platzen aus den Nähten. Schließlich finden wir eines, wo noch Tische frei sind. Und lernen Lektion 1 für Südafrika: Nur dort essen, wo es keinen Platz gibt!
workingmama - 20. Jan, 15:35