Reiselust

9
Feb
2007

Ich war's

Auf unserem Schiff lief auf einem Fernsehkanal rund um die Uhr ein Video übers Händewaschen. Man sah sogar den Kapitän höchstpersönlich bei dieser wichtigen Tätigkeit. Unterlegt mit Stimmen aus dem Off, die erklärten, dass dies die einzige Methode sei, "dem Virus" zu entgehen. Am Eingang zu jedem Restarant zwangen uns lächelnde Angestellte unter Androhung der Planke, die Hände unter einen Sack mit flüssigem Desinfektionsmittel zu halten. Endlich erfuhr ich in einer schummrigen Bar bei der Einführung ins Kreuzfahren für First Timers (4 Zuhörer), dass das Norovirus an Bord sei. Gekennzeichnet durch heftiges Erbrechen und Durchfall für 24-48 Stunden und damit einhergehende Unlust zur Teilnahme am Bord-Entertainment.

Nun, wir haben es nicht bekommen und auch rasch wieder vergessen.

Bis wir nach unserer Rückkehr Mitte Jänner einen Domino-Effekt auslösten. Der Reihe nach plagte eine dubiose Krankheit Familienmitglieder, Bekannte und Freunde. "Migräne" nannte es Freundin M. - bis es auch ihren Sohn erwischte. "Grippe" meinten manche, "Darmgrippe" präzisierten andere. Ein Licht ging mir erst auf, als ich las, dass auf der Queen Mary jeder fünfte Gast über die Reling hing. Mit einer typischen Kreuzfahrt-Krankheit. "Könnte es sein, dass...?", flüsterte ich dem Mann zu, der eine Nacht lang vor Magenschmerzen nicht einmal den Arm zum Telefon ausstrecken konnte.

Und bekam die Antwort schwarz auf weiß: Mediziner haben als Auslöser der Erkrankung das Norovirus identifiziert.

Nun quälen mich nachts Gedanken an jene Freundin, die mit den für Westeuropäer harmlosen Windpocken in Thailand beinahe ein Bergvolk ausrottete.
Sie war immerhin so fair, auch selbst krank zu werden.

30
Jan
2007

Roma invece di Milano

1. Akt, 15. Oktober 2006
Die Billigfluglinie S.E. bietet um unglaubliche 25 Euro einen Flug Bratislava - Mailand und retour an. Kurz entschlossen buche ich für mein Geburtstagswochenende im Februar.

2. Akt, 16. Oktober 2006
Buchungsbestätigung in der Mailbox.

3. Akt, 27. Jänner 2007
Als ich gegen 2 Uhr morgens heim komme, finde ich eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter. Olga erklärt mir in gebrochenem Deutsch, dass (nur) der Rückflug Mailand-Bratislava storniert wurde und ich mir einen anderen aussuchen darf. Zum Beispiel Malta-Paris im August.

4. Akt, 28. Jänner 2007
Recherchen im Internet, unterstützt von Freundin M.s versiertem Sohn, ergeben, dass S.E. oft Flüge storniert. Und die Passagiere exakt 15 Tage vorher davon informiert, sodass die einschlägige EU-Richtlinie nicht zur Anwendung kommt. Ich schreibe an Europa_Direct („Wir beantworten alle Ihre Fragen spätestens nach 3 Tagen“ – man darf gespannt sein), das Österreichische Verkehrsministerium und S.E. Reservations.

5. Akt, 29. Jänner 2007

Am nächsten Vormittag meldet sich ein Herr vom Ministerium und entschuldigt sich für die Verspätung(!) wegen eines Stromausfalls. „S.E. ist unser Sargnagel“ sagt er und gibt mir, nachdem ich ein Schweigegelübte abgelegt habe, die geheime Mailadresse von Jana, die als einzige a) deutsch kann und b) auf Beschwerden reagiert. Kostenlos bekomme ich auch noch Tipps im „Umgang mit der Ostblock-Mentalität“ (Zitat). Ich schreibe an Jana. Jana schreibt zurück. Ihre Mail hat 479 Wörter und nach 10 Minuten finde ich, was ich suche: Ich kann die ganze Reise, auch den unstornierten Hinflug, umbuchen auf Rom statt Mailand. Zum selben Termin.

6. Akt, 30. Jänner 2007
Anruf beim Call Center (45 Cent pro Minute) und Umbuchung. Also Rom, nicht Mailand.
Die Tickets fürs Letzte Abendmahl waren sowieso aus.

27
Jan
2007

Tolles Angebot

Vermutlich wegen diesem Eintrag bekam ich gestern einen interessanten Mail-Newsletter:

Kind-gratis

Natürlich weckte das meine Neugier. Schließlich habe ich bisher laut dieser Berechnung 180.000 Euro in ein einziges der hier offenbar als Gratis-Zugabe erhältlichen Exemplare investiert.

Leider werde ich enttäuscht. "Kind gratis" bedeutet bei der Restplatzbörse:
*) Das 1. Kind von 02-14 Jahren im Zimmer der Eltern zahlt nichts.

DNA-Proben werden genommen. Sonst könnte ja jeder kommen.

Und: Alleinerzieher mit Kind zahlen für zwei Erwachsene.
Wie üblich.
Bei 20.000 Euro im Jahr sind das ohnehin Peanuts.

12
Jan
2007

Also gut.

Es wohl an der Zeit, dass ich mir eingestehe: Der Urlaub ist vorbei.
Als ich vor exakt 13 Tagen an Bord der Serenade of the Seas ging, führte mein erster Weg ins Internet-Café. Dort musste ich feststellen, dass für 2300 Passagiere 10 Computer zur Verfügung standen, deren Internetanbindung per Rohrpost funktionierte. Und das zum Preis von einem Dollar pro zwei Minuten. Somit war meine Verbindung zur Außenwelt auf vereinzelte SMS beschränkt, denen ich dank Zimmertresor leicht ausweichen konnte.

NY1

Auf dem Heimweg nach Europa haben wir einen Stopp in New York eingelegt. Waren auf dem nach 20 Jahren wieder geöffneten Top of the Rock und haben zum weihnachtlich rot-grün beleuchteten Empire State Building hinüber gewinkt. Dann haben wir zugesehen, wie der Christbaum vorm Rockefeller Center abgebaut wurde, während die Eisläufer davor ihre Runden drehten, bei beachtlichen 22 Grad. Abends standen wir im Regen vor der Brooklyn Icecream Factory und bewunderten die nasse Skyline. Natürlich waren für meine Tochter auch der M&M Shop und F.A.O.Schwarz Pflichtprogramm.

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Es gibt noch viel mehr zu erzählen, aber das ist eine andere Geschichte.
Mein Wiedereinstieg bescherte mir 537 Mails (dienstliche Adresse), 48 Mails (private Adresse), einen beim Transatlantikflug zerschellten Koffer (Diagnose "Schalenbruch"), einen Mann, der mir 11 Stunden geduldig beim Ausschlafen meines Jetlags zusah, einen neuen Kollegen in meinem Großraumbüro-Cubicle sowie ein Wiedersehen mit Mah Na Mah Na dank Allegra...

30
Dez
2006

Tag 4: Hoeflichkeit und Haftungsfragen

Vormittags ein Besuch in Fort San Cristobal, das noch weitlaeufiger ist als El Morro. Von hier aus wurden 1797 die englischen Truppen unter Ralph Abercromby besiegt.
Wohlerzogen hatte Abercromby dem Gouverneur von Puerto Rico vor dem Angriff ein freundliches Schreiben zukommen lassen, in dem er um freiwillige Auslieferung ersuchte - "but if you should unfortunately refuse to avail of our previous offer, you shall be held responsible for all immediate consequences." Der Gouverneur antwortete ebenso hoeflich, allerdings auf Spanisch, er sei verpflichtet, seine Insel bis zum letzten Tropfen Blut zu verteidigen.

Bis zum letzten Tropfen Blut verteidigt meine Kleine derzeit unser Bett gegen Gelsen. 23 Stiche schmuecken ihre Beine, waehrend ich muede zwei Stueck habe. Ich nehme an, ihre Oreo-Diaet zeigt erste Folgen. Suesses Blut.

Und das, obwohl MG taeglich Gift in unser Zimmer sprueht. Was in der grossen blauen Dose wirklich drin ist, will ich gar nicht so genau wissen. Nicht gegen Menschen, Haustiere oder Pflanzen verwenden und nicht in die Naehe von Essbarem bringen. Mehr Information unter killsbugsdead.com.

Allerdings lebt man hier sowieso gefaehrlich. Auf dem neuen GAP-Kindershirt haengt ein grosser Zettel mit der Warnung, dass dieses Kleidungsstueck (Groesse 10 Jahre) nicht fuer Kinder unter 3 geeignet ist. Sie koennten an der Aufschrift lutschen oder das Etikett inhalieren, schaetze ich.
Oder an dem Zettel mit der Warnung ersticken.

29
Dez
2006

Tag 3: Sunblock und Notheirat

"Alfredo wurde uns von meiner verstorbenen Mutter geschickt", ist MG ueberzeugt. Nach monatelanger Suche hat sie endlich einen vertrauenswuerdigen, verlaesslichen und praesentablen Assistenten gefunden. Alfredo ist in Miami geboren, in Puerto Rico in die Schule gegangen, hat in Mexiko Kunst studiert und im Teich vorm Weissen Haus sein ferngesteuertes Segelboot kentern lassen. Alfredo kocht goettlichen Kaffee, sieht aus wie Bruce Willis und ist leider schwul.

Das Fruehstueck besteht heute aus Alfredos Kaffee sowie suessem Gebaeck mit gesalzener Butter. Nachmittags geht's an den Strand, obwohl es ziemlich stuermisch ist und nach Regen aussieht. Wir bleiben davon aber verschont und sehen statt dessen einen vollstaendigen Regenbogen. Er endet ueber jenem Hotel, in dem ich bei meiner ersten Reise vor 18 Jahren gewohnt habe.

Abends essen wir Pizza in einem original Diner mit Glitter in der Polsterung und Plastikgeschirr. Man bestellt an der Bar, und wird zunaechst einmal nach seinem Vornamen gefragt. Ist mir schon bei Starbucks aufgefallen. Zweck ist, dass die Kellnerin spater durchs Lokal bruellen kann, "Alfredo, your Grande Margarita Double Cheese Plate's Hot No Beer Thanks is ready!" Soviel zum Datenschutz.

Wie wichtig der Vorname ist, musste ich auch in anderem Zusammenhang feststellen. MG hatte bei der Buchung der Kreuzfahrt meinen Rufnamen angegeben, und nicht die Langform laut Pass. Haetten wir das heute nicht bemerkt, waere ich angeblich nicht aufs Schiff gekommen. Die Aenderung kostet 100 Dollar. Und sie bringt mit sich, dass ich den Online-Check-In-Prozess wiederholen muss. Ich quaele mich also durch Formulare und grueble, was ich bei der Auswahl "verheiratet" oder "single" ankreuzen muss. MG hat bei der Buchung ersteres gewaehlt. Von meiner Hochzeit hat sie auch entschieden mehr Videomaterial erhalten als von meiner Scheidung.

Trotzdem aendere ich das auf "single". Sofort warnt eine rotes Popup: Sie haben Ihren Familienstand geaendert. Bringen Sie die entsprechenden Papiere zur Registrierung mit, sonst koennen Sie nicht an Bord.
Ich frage mich nun, wie ich beweisen werde, dass ich nicht verheiratet bin. Und warum die das so genau wissen wollen? Ob es auf Krezfahrten sowas wie die Single-Tische bei Hochzeiten gibt? Oder muessen wir Kohlen schaufeln? Rudern?

Es handelt sich um eine Notlage! Ob Alfredo unter diesen Umstaenden mit sich reden laesst?

28
Dez
2006

Tag 2: Spanische Forts und Potemkinsche Doerfer

Zum Fruehstueck gibt es so eine Art Corn Flakes, durchsetzt mit Mandeln und getrockneten Cranberries, und dem stolzen Untertitel inspired by the taste of home-made muffins.

Dieses typisch amerikanische Nicht-ganz-Echte verfolgt mich den ganzen Tag ueber. Vom Schnee aus Seifenschaum, der im Einkaufszentrum zu jeder vollen Stunde die Besucher erfreut bis zum Swiss-style Laughing Cow Cheese und all den Swarovski-Imitaten.

Wir entscheiden uns fuer Sightseeing und wandern zur Festung an der Landspitze, Weltkulturerbe mit 2 Millionen jaehrlichen Besuchern. Fort San Felipe del Morro hielt 400 Jahre lang Piraten, Englaender, Franzosen und Hollaender davon ab, Puerto Rico zu erobern. Francis Drake war einer von denen, die den Spaniern das "Tor zur Karibik" streitig machen wollten. Ihm schossen die Verteidiger 1595 den Sessel unterm Hintern weg, als er in seiner Kajuete das Abendessen einnahm. Erst seit 1898 gehoert Puerto Rico zu den USA, was die offizielle Zweisprachigkeit und so manches andere erklaert.

Nach einem heftigen Streit mit Toechterchen ueber die Frage, wie lange man ausschliesslich von Oreo Keks leben kann, nehmen wir ein Taxi ins groesste Einkaufszentrum der Insel, wo gerade New Year Sale ist. Toechterchen wird bei Baby Gap zum halben Preis eingekleidet. In der Garderobe stelle ich mit Erschrecken fest, dass sie weibliche Formen bekommt... Mein Baby!

Abends, daheim beim La Vache qui rit Laughing Cow Kaese, eingedenk Francis Drake im Stehen eingenommen, rede ich mir ein, es ist doch nur Babyspeck.
Inspired by the shape of a woman.

Tag 1: Ankommen

Meine Freundin MG ist Immobilienmaklerin. In der Altstadt von San Juan haelt sie ein Monopol. 70 Prozent aller Haeuser sind durch ihre oder die Haende ihrer Mutter, von der sie die Firma geerbt hat, gegangen. Wegen einer Aenderung der Steuergesetzgebung war dieses Jahr ein besonders gutes. Dazu kommt, dass MG die meisten Hauseigentuemer persoenlich kennt und ihnen Kaeufer vermittelt, bevor sie noch daran denken, zu verkaufen. Diese Kaeufer sind oft potente amerikanische Firmen - allerdings niemals solche, die MG nicht in der Altstadt sehen will.

Bei Fragen der Stadtentwicklung laesst MG nicht mit sich spassen. Sie tritt vehement dafuer ein, dass die Altstadt zur Fussgaengerzone wird. Sie hat mitgeholfen, den Bau eines weiteren Piers fuer besonders grosse Kreuzfahrtschiffe zu verhindern. (Andernfalls haetten wir zum Einchecken am Samstag bloss die Strasse ueberqueren muessen...) Sie hat Hooters und McDonalds vom Hauptplatz in Seitengassen verbannt und lieber den deutschen Auswanderer und sein Cafe Berlin unterstuetzt. (Inzwischen hat er es teuer verkauft und baeckt in einem Hafenkiosk Pfannkuchen...)



Das Haus von MGs verstorbener Mutter ist durch einen grossen Patio mit ihrem verbunden. 18 Monate ist es leer gestanden, weil einer der Erben einen Rechtsstreit angezettelt hat. Nun kauft MG ihren Geschwistern die Anteile ab und zieht hinueber. Den Kredit finanziert sie, indem sie ihr eigenes Haus in mehrere Wohnungen und/oder Bueros aufteilt und vermietet.

Hat jemand eine Geschaeftsidee?

27
Dez
2006

Weihnachten bei Workingmama

Der 24.12. war generalstabsmaessig geplant. Auf der Liste stand: ein viergaengiges Menue fuer sechs Personen zubereiten, Koffer packen fuer 14 Tage zwischen Karibischem Sommer und New Yorker Winter, das traditionelle Krippenspiel in der Kirche und der ebenfalls traditionelle Kaffee mit dem Ex-Mann. Dazwischen lag mir ein Besuch des Mannes am Herzen, der als einziger fuer dieses Projekt in Frage kommt.

In seinem schwarzen Pathfinder fuehrte er uns am naechsten Morgen zum Flughafen. Mit einem weissen Pathfinder holten uns 22 Stunden spaeter meine Freunde in San Juan ab.

Plaza-Colon

Und da bin ich jetzt also, in dem rosa Haus ziemlich genau in der Mitte des Fotos. "Assassins" mit Sylvester Stallone und Antonio Banderas wurde auf diesem Platz gedreht. Der Schweiss war echt.

18
Dez
2006

Ich muss es tun

30-Dec San Juan, Puerto Rico 10:00 PM
31-Dec Charlotte Amalie, St. Thomas 7:00 AM - 5:30 PM
01-Jan At Sea
02-Jan St. Johns, Antigua 7:00 AM - 5:30 PM
03-Jan Castries, St. Lucia 7:00 AM - 5:00 PM
04-Jan Bridgetown, Barbados 7:00 AM - 3:45 PM
05-Jan Philipsburg, St. Maarten 10:30 AM - 5:00 PM
06-Jan San Juan, Puerto Rico 8:00 AM

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